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Holländische Coffeeshops und ihre deutschen Besucher

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Das Verbot, Gebietsfremden den Zutritt zu niederländischen „Coffeeshops“ zu gestatten, steht nach einem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union mit dem Unionsrecht im Einklang. Diese Beschränkung ist durch das Ziel der Bekämpfung des Drogentourismus und der damit einhergehenden Belästigungen gerechtfertigt, das sowohl auf der Ebene der Mitgliedstaaten als auch auf Unionsebene mit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und dem Schutz der Gesundheit der Bürger im Zusammenhang steht.

Anlass für das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union ist ein Streit aus der Aachener Grenzregion. Die Nachbarstadt Aachens auf der niederländischen Seite, Maastricht, war der deutschen Hasch-Touristen leid und fand einen Weg, sich dieser zu entledigen:

Nach dem Gesetz über Betäubungsmittel von 1976 (Opiumwet 1976) sind der Besitz, der Vertrieb, der Anbau, der Transport, die Herstellung, die Einfuhr und die Ausfuhr von Betäubungsmitteln einschließlich von Cannabis und seiner Derivate in den Niederlanden verboten. Die Niederlande verfolgen jedoch eine Politik der Toleranz gegenüber Cannabis. Diese Politik kommt insbesondere in der Einrichtung von Coffeeshops zum Ausdruck, die hauptsächlich auf den Verkauf und Konsum dieser sogenannten „weichen“ Droge ausgerichtet sind. Die örtlichen Behörden können solche Einrichtungen unter bestimmten Voraussetzungen genehmigen. In vielen Coffeeshops werden auch alkoholfreie Getränke und Esswaren verkauft.

Um den Drogentourismus einzuschränken oder sogar zu unterbinden, hat der Gemeinderat von Maastricht mit Beschluss vom 20. Dezember 2005 ein Ansässigkeitskriterium in die Allgemeine Gemeindeverordnung aufgenommen und den Inhabern von Coffeeshops damit verboten, Personen, die ihren tatsächlichen Wohnsitz nicht in den Niederlanden haben, den Zutritt zu ihren Einrichtungen zu gestatten.

Herr Josemans betreibt in Maastricht den Coffeeshop „Easy Going“. Nachdem zweimal festgestellt wurde, dass nicht in den Niederlanden ansässigen Personen der Zutritt zu dem Coffeeshop gestattet worden war, erklärte der Burgemeester van Maastricht (Bürgermeister von Maastricht) diese Einrichtung mit Bescheid vom 7. September 2006 für vorübergehend geschlossen.

Herr Josemans legte Widerspruch gegen diesen Bescheid ein. Nach seiner Ansicht enthält die fragliche Regelung eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Unionsbürgern, insbesondere werde nicht in den Niederlanden ansässigen Personen unter Verstoß gegen das Unionsrecht die Möglichkeit versagt, in Coffeeshops alkoholfreie Getränke und Esswaren zu kaufen. Vor diesem Hintergrund hat sich der mit dem Rechtsstreit befasste niederländische Raad van State (Staatsrat) in einem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gewandt.

Im Wege eines solchen Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof der Europäischen Union entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu entscheiden. Die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union bindet in gleicher Weise auch andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.

In seinem Urteil weist der Europäische Gerichtshof zunächst darauf hin, dass die Schädlichkeit von Betäubungsmitteln, einschließlich derjenigen auf Hanfbasis, allgemein anerkannt ist und dass ihr Inverkehrbringen in allen Mitgliedstaaten verboten ist; lediglich ein streng überwachter Handel, der der Verwendung für medizinische und wissenschaftliche Zwecke dient, ist davon ausgenommen. Diese Rechtslage steht mit verschiedenen völkerrechtlichen Übereinkünften, insbesondere einigen Übereinkommen der Vereinten Nationen, an denen die Mitgliedstaaten mitgewirkt haben oder denen sie beigetreten sind, und mit dem Unionsrecht im Einklang.

Da die Einführung von Betäubungsmitteln in den Wirtschafts- und Handelsverkehr der Europäischen Union verboten ist, kann sich der Inhaber eines Coffeeshops hinsichtlich des Verkaufs von Cannabis nicht auf die Verkehrsfreiheiten oder das Diskriminierungsverbot berufen.

Der Verkauf von alkoholfreien Getränken und von Esswaren in den Coffeeshops allerdings stellt eine Bewirtungstätigkeit dar. Daher ist die fragliche Regelung im Hinblick auf die Dienstleistungsfreiheit zu prüfen.

Der Bürgermeister von Maastricht sowie die niederländische, die belgische und die französische Regierung meinen, dass der Verkauf von alkoholfreien Getränken und von Esswaren in diesen Einrichtungen im Vergleich zum Verkauf von Cannabis nur eine untergeordnete Rolle spiele und daher keinen Einfluss auf das Ergebnis des Rechtsstreits haben könne.
Der Gerichtshof teilt diese Auffassung nicht. Nach seiner Ansicht können sich Inhaber von Coffeeshops in diesem Zusammenhang mit Erfolg auf die Verkehrsfreiheiten berufen.

Der Gerichtshof der Europäischen Union stellt nun fest, dass zwar eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit vorliegt, soweit Inhaber von Coffeeshops legale Erzeugnisse an Personen, die ihren Wohnsitz in anderen Mitgliedstaaten haben, nicht verkaufen dürfen und diese Personen von solchen Dienstleistungen ausgeschlossen sind.

Diese Beschränkung ist nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union jedoch durch das Ziel der Bekämpfung des Drogentourismus und der damit einhergehenden Belästigungen gerechtfertigt. Mit der fraglichen Regelung sollen nämlich die Belästigungen unterbunden werden, die durch die große Zahl an Touristen verursacht werden, die in den Coffeeshops in der Gemeinde Maastricht Cannabis kaufen oder konsumieren wollen.

Nach den Informationen, die der Bürgermeister von Maastricht vorgelegt hat, ziehen die 14 Coffeeshops in Maastricht pro Tag etwa 10 000 und im Jahr etwas über 3,9 Millionen Besucher an. Von diesen Besuchern wohnen 70 % nicht in den Niederlanden.

Der Bürgermeister von Maastricht und die niederländische Regierung machen geltend, dass in Maastricht die mit dem Verkauf „weicher“ Drogen verbundenen Probleme – wie etwa die verschiedenen Formen von Belästigungen und Kriminalität sowie die steigende Zahl illegaler Drogenverkaufsplätze – durch den Drogentourismus zugenommen hätten.

Die belgische, die deutsche und die französische Regierung weisen auf die Störungen der öffentlichen Ordnung hin, die dieses Phänomen, mit dem auch die unerlaubte Ausfuhr von Cannabis einhergehe, in anderen Mitgliedstaaten als dem Königreich der Niederlande, insbesondere in den angrenzenden Staaten, verursache.

Insoweit betont nun der Gerichtshof der Europäischen Union, dass die Bekämpfung des Drogentourismus und der damit einhergehenden Belästigungen Teil der Drogenbekämpfung ist. Sie steht im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und dem Schutz der Gesundheit der Bürger sowohl auf der Ebene der Mitgliedstaaten als auch auf Unionsebene. Diese Ziele stellen ein berechtigtes Interesse dar, das eine Beschränkung der Pflichten, die sich aus dem Unionsrecht, sogar aus einer Grundfreiheit wie der Dienstleistungsfreiheit ergeben, grundsätzlich rechtfertigen kann.

Ein Verbot, Gebietsfremden den Zutritt zu Coffeeshops zu gestatten, stellt eine Maßnahme dar, die geeignet ist, den Drogentourismus in erheblicher Weise zu begrenzen und damit die Probleme, die er verursacht, zu verringern.

Zur Möglichkeit, Maßnahmen zu erlassen, die die Dienstleistungsfreiheit weniger einschränken, stellt der Europäische Gerichtshof fest, dass sich andere Maßnahmen, die zur Bekämpfung des Drogentourismus und der damit einhergehenden Belästigungen getroffen wurden, nach den Angaben des Bürgermeisters von Maastricht und der niederländischen Regierung im Hinblick auf das angestrebte Ziel als ungenügend und ineffizient erwiesen haben. Was die Möglichkeit betrifft, Gebietsfremden den Zutritt zu Coffeeshops zu gestatten, den Verkauf von Cannabis an diese jedoch zu verbieten, so ist es nicht einfach, genau zu kontrollieren und zu überwachen, dass Cannabis weder an Gebietsfremde abgegeben noch von ihnen konsumiert wird. Darüber hinaus ist zu befürchten, dass eine solche Regelung den unerlaubten Handel mit Cannabis oder seinen Weiterverkauf durch Gebietsansässige an Gebietsfremde in den Coffeeshops fördern würde.

Im Übrigen hindert die fragliche Regelung eine nicht in den Niederlanden wohnhafte Person keineswegs daran, in anderen Bewirtungsbetrieben in Maastricht alkoholfreie Getränke und Esswaren zu konsumieren. Der niederländischen Regierung zufolge beläuft sich die Zahl derartiger Betriebe auf über 500.

Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Urteil vom 15. Dezember 2010 – C-137/09 [Marc Michel Josemans / Burgemeester van Maastricht]


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